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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Zen und Leid

Aktualisiert: 30. Juni 2018

Ich habe gerade Eugen Herrigels „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ gelesen. Und lese jetzt „Der Zen Weg“ vom gleichen Autor. Jedem, der sich für diesen buddhistischen Weg interessiert, lege ich beide Bücher wärmstens ans Herz. Eugen Herrigel hat als einer von sehr wenigen Europäern die japanische Zen-Schule durchlaufen und sie dann zu erklären versucht. Jeder, der sich mit Zen befasst hat, weiß um die Unmöglichkeit der wortnahen Erklärung zum Thema Zen. Aber wenn man auch nur versuchen wollte, Dinge in Worte zu fassen, die man laut Herrigel nur erfahren kann, dann hat dieses Buch es (annähernd) geschafft. Die altertümliche Sprache (der erste Band ist von 1951) tut der Thematik dabei keinen Abbruch. Ob ich dem Zen und seinem Verständnis allerdings näher gekommen bin – ich weiß es nicht.

Heute morgen saß ich mit meiner Tasse Kaffee in der Hand im Garten und gönnte mir ein paar Sonntagsgedanken, während die Nachbarstauben in der Tanne besinnlich vor sich hin gurrten. Der Zenist, jahrelang in harter Ausbildung bei japanischen Lehrmeistern unterrichtet (wie im Buch geschildert), hat eine für den Europäer im ersten Moment gleichgültig wirkende Gelassenheit entwickelt. Den eigenen Gefühlen gegenüber soll der Zenist sich weder mit Freude noch mit Leid identifizieren, sich von seiner Ich-haftigkeit lösen und alles gleichsam annehmen. Nicht stoisch oder gefühlsarm, sondern annehmend, losgelöst.

Ich sitze also hier mit meinem Kaffee und frage mich, ob ich jemals eine zenmäßige Gelassenheit entwickeln werde, in der meine Ich-haftigkeit keine Rolle mehr spielt. Ich denke nicht. Auch wenn man sagt, dass der Zenist trotzdem mit beiden Beinen voll im Leben steht, so geht mir doch die jahrelange Ausbildung und Disziplin ab. Ich bin zu sehr Mensch, Mutter, „gefangen“ in meinen Gefühlen.

Was mich aber beeindruckt und was ich (unter anderem) mit nehme, ist folgende Aussage zum Thema Leiden: „Er (der Zenist) tut dies (einen Leidenden unterstützen), indem er ihn dazu verlockt, sich seinem Leid zu stellen und es sich in seinem Ausmaß und seiner Tragweite zum Bewusstsein zu bringen. Er wird dem Leidenden zu verstehen geben, dass man schweres Leid weder dadurch besteht, dass man sich ihm trotzig verschließt, noch dadurch, dass man sich ihm verzweifelt ausliefert. Er wird ihn davor warnen, sich darüber hinwegtrösten zu lassen, noch darauf zu warten, dass die Zeit heile. Heil werde der Leidende nicht anders als dadurch, dass er sein Schicksal bejahe und gelassen trage, was ihm auferlegt ist, ohne danach zu fragen, weshalb gerade ihm soviel Leid widerfährt. Wer das vermag – wird er ihm zu bedenken geben - , wächst am Leid und löst sich dadurch von ihm los, dass er immer mehr davon absehen lernt, dass es sein Leid ist.“ ( Eugen Herrigel, Der Zen-Weg)

Diesen Gedanken, neben vielen anderen aus den Büchern, finde ich sehr inspirierend. Und erinnert mich an die Aussagen Eckhart Tolles, den jetzigen Augenblick anzunehmen, egal, was er beinhaltet, als hätte man ihn sich selbst geschaffen. Egal ob Freude oder Leid, was da ist sollte ohne Widerstand angenommen und bejaht werden.

Nicht immer einfach, diese Art der Herangehensweise, ich weiß das sehr gut. Aber immer wenn ich mich daran erinnere, löst sich ein Knoten in meiner Brust, meine Schultern entspannen sich und ich atme tief durch. Veränderung ist das einzig Konstante. Warum versuchen, sich gegen Naturgesetze aufzulehnen? Und Leid Widerstand entgegen zu setzen ist so unnütz, wie alleine einen Tsunami aufhalten zu wollen. Scheiße passiert. Und alles geht vorbei. Das Gute, das Schlechte, das Gute. Nimm es an. Das macht es leichter.


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