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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Reden ist Silber...

Rekordtemperaturen. Es ist so heiß, wie seit 2003 nicht mehr. Damals habe ich in der WG meiner besten Freundin Seidentücher ins Kühlfach gelegt und sie zur Kühlung genutzt. Das reichte genau 5 Sekunden, ehe sie wieder ins Eisfach mussten. Tragischerweise wohnte Anne damals in einer Dachgeschosswohnung. Das machte das Ganze nicht wesentlich besser. Heute wohnen wir – Zum Glück! - nicht mehr im Dachgeschoss. Das ist auch erst seit zwei Jahren so und ich erinnere mich daran, im Sommer vor drei Jahren mit Kühlakkus ins Bett gegangen zu sein. Auch hier unten ist es immer noch heiß und ich habe uns dann gestern mal ein Planschbecken gekauft, dass etwas größer ist, als das Kinderfußbad, dass wir bisher hatten. Sehr angenehm.

Aber was immer noch am meisten erfrischt ist ja, direkt am Wasser zu sitzen. Da wir einige Stunden vom Meer entfernt wohnen, schätze ich mich umso glücklicher, Vater Rhein meinen direkten Nachbarn nennen zu dürfen. Ich liebe ihn und statte ihm gerne und regelmäßig Besuche ab. Da ich am Freitag frei hatte, habe ich also alles erledigt, was zu erledigen war und bin alleine an den Rhein gefahren. Morgens war dort noch nichts los und ich hatte den Strandabschnitt, abgesehen von gelegentlichen Hunden mit ihren Besitzern, für mich alleine. Es war einfach herrlich, völlig allein auf dem weichen, mit Muscheln und Steinen durchsetzten Sand zu sitzen, im Schatten der Silberweiden, und auf das von Containerschiffen bewegte Wasser zu blicken. Einfach mal sitzen und nichts tun. Rein gar nichts. Ich hatte bewusst außer Trinkwasser nichts mit gebracht, lediglich ein Buch und ein Handtuch hatten Platz in meiner Tasche gefunden.

Es war so still. Nicht in einem absoluten, aber in einem natürlichen Sinne. Möwen tummelten sich am Rand des Wassers und schrien ab und an, was dem Szenario noch mehr das Gefühl von Strandurlaub verlieh. Das Wasser rauschte und gluckste, wenn der Sog eines Schiffes es zu sich zog und erzeugte Wellen und deren unverwechselbaren Klang, wenn es wieder zurück kehrte. Manchmal bellte ein Hund im Hintergrund und bei genauem Hinlauschen konnte man das Autobahnrauschen der Fleher Brücke wahr nehmen.

Und doch. Und doch kam ich nicht zur Ruhe. Ich hatte einen Ohrwurm eines Kinderlieders, der mich nicht los ließ. Ich dachte über dies und das nach, stand auf, ging ins Wasser, legte mich wieder hin, dachte nach. In meinem Kopf war so viel Lärm, Krach, Musik in Endlosschleife. Und ich fragte mich, wie lange ich eigentlich in Stille sein müsste, um endlich ruhig im Kopf zu werden.

Es gibt Urlaube, Meditationsferien, in denen das erlebt wird, in denen die Teilnehmer in der Zeit ihres Dortseins nicht sprechen. Obwohl ich ein Plappermaul bin, stelle ich mir das sehr angenehm vor. Einfach mal ruhig sein. Nicht zu allem einen Kommentar abgeben. Nicht schon, während mein Gegenüber noch spricht, schon über die Antwort nachdenken. Nicht immer dieses Blabla, weder außen, noch innen. Menschen kennen lernen, ohne mit ihnen zu sprechen. Wie oberflächlich, wie tiefgreifend.

Aber in meinem Leben ist das nicht einfach. Ich rede gern. Ich habe eine kleine Tochter, die immer auf Zuspruch wartet. Ich arbeite in einem Kindergarten. Ich könnte also gar nicht mal eben so vor mich hin schweigen, ohne anderen damit vor den Kopf zu stoßen.

Trotzdem sehne ich mich nach etwas mehr Ruhe. Mehr Stille. Und stolpere über Sokrates in seiner Tonne. Der hat im alten Griechenland (4 Jahrhundert vor Christi) schon seinen Dreifachfilter genutzt. Er hat sich drei Fragen gestellt, wenn es darum ging, etwas zu erzählen:


Ist es wahr? Ist es gut? Ist es nützlich für mein Gegenüber?



Ich versuche in meinem Alltag vermehrt auf diese Fragen zurück zu greifen und mir fällt auf, wie oft ich etwas Unnützes, etwas Negatives oder etwas, das ich nur gehört habe, weiter erzähle. Einfach nur, um zu reden. Und dazu kommt, dass mir immer wieder auf fällt, wie müde ich bin, nachdem ich viel geredet habe, wie sehr mich dieser „Informationsaustausch“ (wenn man es überhaupt so nennen kann) ermattet. Trotzdem ist es nicht so leicht, einfach nicht mehr zu reden. Ich möchte mich an Gesprächen beteiligen, möchte mich entspannen, mit Freundinnen treffen und Quatsch reden. Also?

1. Ich möchte versuchen, mein Gequatsche zu reduzieren. Ich möchte meinem Gegenüber zuhören. Klingt einfach, aber meist ist man mit den Gedanken schon woanders, formuliert eine Antwort oder möchte das Erzählte mit einer Geschichte aus der eigenen Erfahrungswelt ergänzen. Das kann schön sein, kann aber auch nach hinten los gehen. Wie wäre es statt dessen, sich einfach mal auf den Gesprächspartner einzulassen. Ganz da zu sein, alle Informationen aufzunehmen, ohne etwas von sich dazu erzählen zu müssen. Nachfragen, Nachhaken, Wiederholen. Ganz da sein.


2. Ich möchte Selbstgespräche minimieren. Ich rede so oft mit mir selber, oder erzähle etwas dem Kind, was es noch gar nicht versteht, nur, um zu reden. Ich möchte auch dem Kind gegenüber aufmerksamer sein. Mehr hinschauen, mehr hin hören, mehr nachfragen. Weniger interpretieren, weniger erzählen, weniger vor geben. Einfach da sein. Punkt.


3. Ich möchte das, was ich erzähle, durch den Dreifachfilter laufen lassen. Das wird nicht immer funktionieren und ich werde auch nicht immer dran denken. Aber wenn ich es schaffe, den Quatsch, den ich oft erzähle, etwas auf das Wesentliche zu reduzieren, finde ich es schon toll.


4. Meine ultimative Waffe im Kampf gegen das Blabla im Hirn: Lauschen. Sich auf die Geräusche konzentrieren, die da sind, einfach wahr nehmen, was ist. Und damit für einen kurzen Augenblick den Lärm im Kopf ausschalten.

Sonntagsquintessenz: Wir leben in einer lauten Welt. Überall Werbung, Autos, Gerede, Fernseher, Handys. Ich genieße die Stille. Ich höre. Ich sehe dich. Ich handle, statt zu reden.

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