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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Optimierter Sonntagnachmittag

Sonntag. Ich liege auf der Couch, surfe mit dem Handy im Internet. Ich lese zum Thema Darmgesundheit und Benthonit. Interessant. Entgiften ist schon wichtig. Immerhin sitzt im Darm unser Immunsystem. Da gibt es doch diese Firma, die gesunde Shakes aus SuperFood her stellt. Von denen habe ich schon drei Getränke. Haben die nicht auch eins zur Darmentgiftung...? Mein Mann kommt ins Wohnzimmer und sagt scherzeshalber „Willst du wieder was kaufen? Immer willst du was kaufen!“ und grinst mich an. Ich bin geschockt. Mir ist nicht nach grinsen zumute. Ich lege das Handy weg. Ich weiß, er meint das nicht ernst, aber seine Aussage hat mich getroffen.

Ich sehe mich als Minimalistin. Ich reduziere meinen Besitz immer mehr. Es macht mich glücklich, meinen Besitz zu minimalisieren. Ich liebe es, YouTube Videos über Aussteiger, tiny Häuser und umgebaute Vans zu gucken. Ich habe den Anspruch, meiner Tochter bei zu bringen, Erlebnisse für wichtiger zu erachten, als Gegenstände. Aber tue ich das auch? Bin ich wirklich eine Minimalistin, wie ich sie gerne wäre? Oder kaufe ich nur einfach andere Dinge? Wie mehr weiße Deko, Pflanzen und Bücher zum Thema Minimalismus?

Ein anderes Erlebnis neulich. Unsere Gartenbank ist kaputt, eine Leiste ist gebrochen. Das Holz ist alt, die Farbe blättert. Der Tisch sieht auch nicht besser aus. Ich überlege laut, ob wir den Kram nicht bald mal entsorgen sollten. Da gibt es doch diese abwaschbaren Plastikmöbel für den Garten mit Auflagen. Die sind auch gar nicht so teuer. Und wieder mein Mann: „Wieso? Du brauchst das hier doch bloß abschmirgeln und streichen, dann ist das wie neu. Und die kaputte Latte besorgen wir im Baumarkt.“ Wieder bin ich vor den Kopf geschlagen. Mein Mann ist eindeutig ein besserer Minimalist, als ich es bin. Natürlich hat er Recht. Warum etwas weg werfen, nur weil es Arbeit macht? Und dann auch noch ersetzen durch etwas aus Plastik?

Minimalismus ist ein Prozess. Es geht nicht darum, wie wenig Teile man besitzt, wie viele Quadratmeter die Wohnung hat oder wie wenig Geld man monatlich aus gibt. Es geht um ein Umdenken. Es geht um mehr Reflektion. Könnte ich meine Zeit besser nutzen, als Sonntagnachmittags nach Unsinn im Netz zu surfen? Allerdings. Könnte ich Dinge länger behalten, ihnen vielleicht ein zweites Leben geben, anstatt sie weg zu werfen? Auf jeden Fall.

Ich sehe, ich kann weiter an mir arbeiten. Ich möchte nicht mehr so konsumorientiert sein. Aber das ist eben nicht so einfach. Ich vermeide Werbung und Shoppingtouren, aber manchmal ist man eben doch unterwegs. Ich versuche, qualitativ gute Sachen zu erwerben und dafür dann eben weniger davon. Allerdings wäre es noch besser, einfach dahin zu kommen, dass ich sagen kann „Danke, ich habe alles, was ich brauche.“ Und ganz ehrlich, kann ich das nicht schon lange sagen? Gab es jemals eine Zeit in meinem Leben, in der ich das nicht hätte sagen können?

Ich werde weiter an mir arbeiten. Und keine Shakes zur Darmgesundheit bestellen. Stattdessen geht es in den Baumarkt, um Schmirgelpapier und Farbe zu kaufen. Und meiner Tochter zu zeigen, dass man den Sonntagnachmittag damit zu bringen kann, gemeinsam etwas zu reparieren, das andere vielleicht weg geworfen hätten.



Quintessenz: Erst denken, dann nicht kaufen.

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