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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Nicht Jetzt!

Es gibt für alles eine Zeit. Man kann nun mal nicht alles auf einmal machen. Ja, wir wollen viel erledigen. Den Einkauf, die Renovierung, die Arbeit. Damit wir endlich Zeit haben für das richtige Leben, für das echte Leben. Da sind all diese dummen Erledigungen eigentlich nur im Weg. Aber sie müssen ja gemacht werden. Autoreparatur, aufräumen, Wäsche machen. Und während wir all diese Dinge erledigen, sind wir mit den Gedanken schon beim nächsten Punkt auf der Liste, denken darüber nach, was wir gleich, später, morgen noch zu tun haben. Damit wir endlich fertig sind, endlich zu unseren Partnern und Kindern, Katzen und Hunden auf die Couch können. Oder zu unseren Hobbies, unseren Büchern, was auch immer uns glücklich macht.

Es ist nur so: Das richtige, das echte Leben ist das hier. Die Autoreparatur, aufräumen, die elende Wäsche, das alles ist ein Teil davon. Das alles muss getan werden, aber als Teil von allem, nicht als lästige Pflicht. Damit meine ich nicht, dass wir uns riesig über den Wocheneinkauf freuen sollen. Damit meine ich, dass wir uns immer ganz der Sache widmen sollten, die wir gerade tun. Anstatt gedanklich schon bei so vielen anderen Dingen zu sein, uns zu stressen, nur den Berg an Erledigungen vor uns zu sehen, könnten wir ja mal versuchen, einfach nur das zu tun, was wir gerade tun. Einfach mal nur eine Sache auf ein mal zu tun. Als das Ich, das du jetzt gerade bist. Nicht als das Ich, das du nächste Woche gerne wärst.

Versuche doch mal, einfach jetzt, während du das hier liest, ganz hier zu sein. Sei ganz in deinem Körper. Lausche den Geräuschen um dich herum. Atme mal tief durch. Und konzentriere dich auf den Text. Sei gedanklich ganz dabei. Spürst du, wie sich deine Schultern entspannen? Nimm einfach mal an, was gerade ist. Gib den Widerstand, den viele von uns unbemerkt und unweigerlich mit sich herum tragen, gib diesen Widerstand einfach auf. Gegen was kämpfst du?

Es gibt für alles eine Zeit. Aber es ist nicht so, dass ein Teil deiner Erledigungen sich irgendwie vom Rest deines Lebens abspalten würden, als gehöre er nicht dazu. Du bist nicht nur das schick gemachte Du, das heute Abend aus geht. Du bist eben auch das Du, das noch schnell tanken und ungeschminkt die Kinder von der Kita abholen muss.

Versuche mal folgendes: Wenn du spürst, dass da wieder zu viel los ist, in dir, in deinem Kopf, deinen Gedanken, wenn du merkst, dass du gerade wieder die Liste abarbeitest, dann lass mal kurz los. Atme tief durch. Und denke dir einfach : NICHT JETZT!

Was nutzt es dir, während der Autofahrt zum hundertsten Mal die unangenehme Arbeitssituation mit dem ungeliebten Kollegen durch zu gehen? Was bringt es, immer wieder über deine sich nie verkürzende, papyrusrollenlange To-Do-Liste nach zu denken? Kannst du das jetzt, wo du hier an der Kasse stehst, erledigen? Kannst du es jetzt, wo du mit deinem Partner endlich mal essen gehen magst, noch schnell fertig stellen?

Nein. Nicht jetzt. Später ist noch genug Zeit. Später ist Zeit, um sich den Dingen zu widmen. Jetzt machst du gerade nur die Wäsche. Nur die Wäsche. Jetzt fährst du gerade Auto, spülst ab, was auch immer. Alles andere ist Nicht jetzt. Ein Handgriff nach dem nächsten.

Die meisten Gedanken haben wir schon mal gedacht. Die meiste Gedanken sind absolut nutzlos. Und die meisten Gedanken beschäftigen sich mit was-wäre-wenn-Mythen oder ach-hätte-ich-doch-nur-Reue. Das macht schlechte Laune und baut Hirnautobahnen, auf denen niemand in den Urlaub kommt. Baue doch mal neue Straßen. Landstraßen. Nebenstraßen. Ein-Handgriff-nach-dem-anderen-Seitenstraßen und Jetzt-ist-die-Zeit-für-Jetzt-Radwege. Lass dir den Wind um die Nase wehen, wenn du die Post holst. Lass dir die Sonne ins Genick scheinen, wenn du die Brötchen holst. Sing ein Lied, wenn du Wäsche machst.

Der große Tag, an dem alles so ist, wie du es willst, die ewige Beständigkeit, die wir alle so herbei sehnen, die Zukunft, in der du nicht mehr du bist, in der du endlich perfekt, dein Leben auf Hochglanz ist, das alles wird nie passieren. Es gibt immer was zu tun, was zu verbessern, was zu ändern. Beständigkeit ist das Einzige, was nicht existiert, was nie existieren wird. Sie ist ein Mythos, eine Utopie, die uns den momentanen Augenblick verleugnen lässt. Alles, was wir haben, ist das Jetzt. Nur das Jetzt. Also genieße, sei dankbar für so viele wunderbare Kleinigkeiten, atme all die kleinen Kostbarkeiten ein – in diesem Moment. Also schicke alles, was dir nicht dient mit einem Nicht Jetzt! vor deine geistige Tür. Und wenn du dich entschließt, dich bewusst mit den fort geschickten Dingen zu befassen, dann tue auch das ganz im Jetzt, ganz präsent.


Es gibt für alles eine Zeit. Und diese Zeit ist immer jetzt. Wähle bewusst, was du in deinem Jetzt haben möchtest. Und widme dich dieser Sache hingebungsvoll. Das ist das Beste, was du für dich und die Welt tun kannst. Du wirst sehen, diese Früchte schmecken wunderbar gegenwärtig!

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