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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Konditionierte Unzufriedenheit

Frage: Sind wir darauf konditioniert, unzufrieden zu sein? Und kann man das ändern?

Ich denke nicht, dass es hier um eine ausschließliche Konditionierung geht. Es macht evolutionsperspektivisch Sinn, die aktuelle Situation verbessern zu wollen. Wenn man nur vom Mammut in den Mund lebt und sich die Höhle mit 78 anderen stinkenden Neandertalern teilt, kommt man ja vielleicht irgendwann auf den Gedanken, dass man das auch ändern könnte. So wurden aus Nomaden Siedler, aus Jägern Bauer und aus Höhlenbewohnern Menschen, die in Mitteleuropa 45qm pro Person zur Verfügung haben. So gesehen hat uns die Unzufriedenheit ja ziemlich weit gebracht. Allerdings haben wir es aufgrund dieses inneren Drängens auch soweit gebracht, unsere kurzzeitige Alltagsbefriedigung mit so schnöden Dingen abzudecken wie RTL II, Doodle Jump und 65.000 Sorten Cornflakes. Und immer noch suchen wir nach dem Besten, dem Besseren, dem Entgültigen. Evolutionsperspektivisch könnten wir langsam mal aufhören, unzufrieden zu sein. Wir sind 7 Milliarden und die Renten reichen jetzt schon nicht. Was nutzt uns schon das x.te Paar Schuhe oder das dritte Auto? Hat das noch mit Überleben zu tun? Hier im Westen Europas, wo ich aufgewachsen bin, geht es uns so gut, dass wir uns an freien Tagen hin setzen und Blogs schreiben, in denen wir über evolutionsperspektivische Sachverhalte lamentieren können! Wie gut geht es uns da bitte?

Ist es also mittlerweile so, dass unser inneres Suchen nach einem besseren Leben unsere Kinder in einer Welt aufwachsen lässt, in der eine generalisierte Unzufriedenheit mit der Muttermilch aufgesogen wird? Und wir das aufzufangen versuchen, indem wir immer ökologisch wertvolleres Spielzeug aus Bambus kaufen? Ja, sind wir denn wahnsinnig?

Ja, wahrscheinlich schon. Größenwahnsinnig. Immer mehr, immer besser. Höher, schneller, weiter. Ohne, dass es noch einen wirklichen Sinn hätte, außer natürlich für das Wohlbefinden des Einzelnen.

Aber ist das wirklich so? Immer mehr Blogs, YouTubeKanäle, Bücher, Retreats fangen doch genau diese Thematik aus gutem Grund auf: Wir werden nicht zufriedener, wenn wir mehr anhäufen. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Je mehr Wahlmöglichkeit der Einzelne hat, umso unzufriedener ist er. Aus dem ganz einfachen Grund, weil man immer diesen fiesen kleinen Gedanken im Hinterkopf hat: Wäre die andere Cornflakessorte vielleicht doch besser gewesen?

Vielleicht wäre sie das. Vielleicht auch nicht. Die Unwissenheit darüber macht uns mürbe. Die Mischung aus evolutionär eigentlich ganz schlau angelegter Verbesserungssucht und unserem Leben in einer Überflussgesellschaft sorgt dafür, dass wir keinen glücklichen Fuß mehr auf gesunde Erde bekommen. Stattdessen muss es etwas neu gekauftes sein. Oder eben die riesige Hochzeit, die große Reise, das neue Haus. Gern auch – für die spirituell Engagierten unter uns – das nächste Retreat, das neue Buch, die neue Hanfhose aus anmeditierten Pflanzen, von armlosen indischen Kindern mit den Beinen gestrickt.

Und was machen wir jetzt?

Die Lösung ist leicht. Aber nicht einfach. Zufrieden sein mit dem, was da ist. Genau jetzt. Kein Widerstand. Gegen egal was. Einfach mal annehmen. Die paar Kilo zu viel. Das Auto, das eigentlich über den TÜV muss. Das unrenovierte Zimmer.

Es ist egal. Ist es wirklich. Es ist nicht verkehrt Wünsche und Ziele zu haben. Aber wenn man dadurch den Augenblick völlig aus den Augen verliert, sind sie sinnlos. Die Zukunft wird nie eintreffen. Es gibt immer nur ein Jetzt.

Mach dir bewusst, dass die Anhäufung von Gegenständen dich weder zu einem besseren Menschen, noch zufriedener machen wird. Setz dich hin und überlege dir, was dich wirklich wirklich glücklich macht. Wirklich. Nicht das kurze kleine Glück einer neuen Handtasche. Was dich wirklich in dir drin zufrieden macht. Schreib es auf. Wenn dein Haus brennen würde, was würdest du retten? Den Fernseher? Oder deine Kinder? Wenn du alles verlieren würdest, was würde dir helfen, trotzdem weiter zu machen? Wenn du kein Geld hättest, was würdest du wirklich am Freitagabend machen wollen, was dir etwas gibt?

Nutze die makabre Unterstützung der Todesvorstellung. Wenn du einmal stirbst und du schaust auf dein Leben zurück, was würdest du dir wünschen getan zu haben? Oder nicht getan zu haben? Was wäre dann noch wirklich wichtig?

Familie. Freunde. Lachen. Leben. Genuß (was auch immer das für dich bedeutet). Nein, ich bin kein Hedonist. Auch Schmerz gehört zum Leben. Aber mit Schmerz lässt sich weitaus besser umgehen, wenn du weißt, was dir wirklich wichtig ist und wenn du weißt, was dich glücklich macht und unterstützt. Genau Jetzt.

Sind wir evolutionäre Wesen? Ja. Sind wir konditioniert, unglücklich zu sein? Auf jeden Fall. Können wir unsere Situation ändern? Na klar!


Vielleicht ist die Evolution ja so schlau, uns jetzt nicht mehr körperlich weiter zu entwickeln, sondern uns spirituell voran zu bringen. Vielleicht gehört die innere Zufriedenheit ja zu ihrem Plan. Vielleicht haben die Meister der letzten Jahrtausende Recht, die von Meditation als einem Schlüssel sprachen und versuchten, den Alltagsmenschen Zufriedenheit nahe zu bringen und sie aus ihrem Wachkoma aufzurütteln, ihren Blick nach innen richten wollten. Vielleicht freunden wir uns einfach mit dem Gedanken an, dass wir alles haben, was wir brauchen und dass die Evolution nun in uns statt findet. Und vielleicht sind die Vereinfachung des normalen Lebens und die Rückbesinnung auf das Wesentliche ja die Quintessenz aus Millionen von Jahren der Menscheitsentwicklung. Vielleicht sind wir ja genau da, wo wir sein sollten.

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