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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Glaubenskonzepte minimalisieren in der Badewanne

Eigentlich ist es ein ganz normaler Abend. Ich gönne mir, nachdem Mann vor der Konsole und Kind im Bett untergebracht sind, ein heißes Bad. Eine Kerze brennt, das Badewasser ist orange und duftet nach Maracuja. Ich habe mein Handy und ein Buch parat gelegt. Doch irgendwie ist mir gerade gar nicht nach einem von beiden. Ich dümple im heißen Wasser, während noch mehr davon die Wanne füllt und denke nach. Ich spüre gerade wieder dieses innere Sehnen, dieses Suchen. Dieses Gefühl begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Ein inneres anklopfen, ein nach mehr fragen, ein kleiner Oliver Twist, der eine zweite Portion will. Meistens gebe ich dem Drang nach und befriedige ihn schnell, in dem ich mit dem Handy im Internet surfe. Wenn es etwas schlimmer war, kaufte ich früher immer Bücher. Wobei natürlich nicht das Buch an sich die Befriedigung bedeutete, sondern das darin enthaltene Wissen und die Vorfreude darauf. Ich habe in meinem Leben schon alles Mögliche gelesen. Von Quantenphysik über Channeling, von keltischen Legenden über Naturreligion bis hin zu Menschen, die behaupten, von Licht zu leben. Alles hat mich interessiert, es musste nur, naja, übersinnlich sein, magisch, spirituell. Mit jedem Buch, dass ich in das schwarze Loch in mir warf, mehrte sich mein Wissen. Und mit jedem Buch, das ich gelesen weg stellte, wurde ich unzufriedener. Das Dumme ist nämlich, dass Bücher von Menschen geschrieben werden. Und die haben unterschiedliche Leben, Ansichten und Überzeugungen. Aber keiner weiß wirklich etwas. Oder konnte mir meine vielen Fragen in Bezug auf das Leben und seinen Sinn beantworten. Heute ist mein Bücherregal sehr übersichtlich. Schritt für Schritt habe ich das Wissen, die Bücher, die Autoren los gelassen. Das fiel mir nicht immer leicht. Aber jedes Buch, das ich weg gab, befreite mich ein stückweit. Jetzt liege ich in der Wanne und mein erster Impuls ist es, zum Handy zu greifen und auf meine Amazonwunschliste zu schauen. Aber ich tue es nicht. Ich bin an einem Punkt angekommen, an dem ich folgendes gelernt habe: 1. Die, die glauben, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen, haben am wenigsten Ahnung und 2. Man sollte diese Art von spiritueller Befriedigung, nicht im Außen suchen. Da wird man sie nämlich nie finden. (Und außerdem ist Amazon für mich grade tabu.) Während also die Badewanne voll läuft und ich dem Maracujaschaum dabei zusehe, wie er sich ausbreitet, kommt mir ein Gedanke. Früher habe ich an so ziemlich alles geglaubt. Geister, Elfen, Feen, Kobolde, Glück, Götter, Realitätsgestaltung, Magie. Oder zumindest habe ich das meiste nicht ausgeschlossen. Wenn du mich gefragt hast, habe ich dir voller Vertrauen von meinem Wissen darüber erzählt, dass es eine andere Seite gibt, zu der wir nach dem Tod übertreten, dass dort etwas auf uns wartet und dass das Leben definitiv einen Sinn hat. Heute bin ich schlauer. Heute kann ich völlig sicher sagen: Ich habe keinen blassen Schimmer. Vielleicht gibt es Götter, vielleicht nicht. Vielleicht sind sie energetische Konzepte, vielleicht nicht. Vielleicht gibt es Wunder und man kann sie nur sehen, wenn man an sie glaubt. Vielleicht gestaltet jeder Mensch seine Realität selber. Aber ich habe so viele Bücher gelesen, mich mit so vielen Konzepten auseinander gesetzt, dass ich mich einem seltsamen Phänomen gegenüber stehen sehe: Wenn ich einen älteren Menschen kennen lerne, der voll und ganz hinter seiner Religion steht, kann ich ihn nicht ernst nehmen. Das ist bescheuert und unfair. Und doch macht das Gesamtkonzept Religion irgendwie für mich irgendwie keinen Sinn. Mehr. Kann man Glaubenskonzepte weg minimalisieren? Kann ich Religion löschen? Das Verrückte ist, dass ich ziemliche Antennen für diesen spirituellen Kram habe. Ich habe ein paar merkwürdige Geschichten mit Verstorbenen erlebt. Ich habe ab und an ziemlich interessante Träume. Ich habe eine innere Stimme, die ich jederzeit alles fragen kann. Natürlich gibt es Momente, in denen ich sie deutlicher höre und solche, in denen sie leise ist, aber sie ist immer da. Und was soll ich sagen? Hier, in der Badewanne, an Göttern und Religionen zweifelnd (wieder mal), nach dem ultimativen Wissen suchend, (wie schon immer in diesem Leben) meldet sie sich wieder bei mir (natürlich ungefragt). (Nein, keine Sorge, ich höre sie nur in meinem Kopf. Und nein, sie sagt mir nicht, ich solle die Kassiererin im REWE töten. Es ist einfach nur meine Stimme, aber irgendwie aus dem Off. Die Regieanweisung, die man eben ignorieren kann oder auch nicht. Die Intuition, die mir sagt, ich soll links fahren und wenn ich das tue und mich frage, wozu das gut war, weil nichts passiert ist, lächelt sie und nickt zufrieden (Kann eine Stimme nicken?). Und sie spricht immer kursiv. So leicht mit Hall, irgendwie.)


Und sie sagt

Du hast Dinge erlebt und Du hast die Möglichkeit jederzeit mit mir zu sprechen. Du bist viel näher dran, als andere und du zweifelst?


Ja, auf jeden Fall, sage ich in meinem Kopf. Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und ob ich nun Thor, Mohammed oder Gaia anbete, es würde nichts ändern. Irgendwann wird diese Badewanne, in der ich sitze nicht mehr existieren. Mein Herz, das jetzt pumpt und lebt und liebt, meine Haut, die jetzt schwitzt und atmet, der Schmuck an der Wand, das ganze verdammte Gebäude wird irgendwann nicht mehr existieren und niemand wird sich mehr an mich erinnern. Wo ist also der Sinn darin, an irgendetwas zu glauben?

Das Leben hatte immer schon einen Sinn. Und der Sinn ist Leben. Leben und dem Leben einen Sinn zu geben. Zu lieben, zu sein.

Wie pathetisch. Na bitte, dann ist es doch wirklich egal, an was ich glaube.

Ja und Nein. Es ist wirklich nicht so wichtig, wie deine Götter heißen. Es ist auch nicht wichtig, wie du dir die andere Seite ausmalst oder ob es Devas gibt. Zumindest nicht für deine direkte Existenz, aber es ist außerordentlich wichtig, ob du glaubst oder nicht. Ein Mensch, der den Glauben verliert, verliert sich selbst.

Ach. Und was soll ich denn bitte glauben, wenn nicht an Religion und Götter und Feen und Geister?

Na, an dich.

An mich? Ich soll an mich glauben? Aber ich weiß doch, dass es mich gibt, ich kenne mich. Ich bin ja meistens mit mir zusammen.

Trotzdem kannst du an dich glauben, oder an dir zweifeln. Dieses Konzept ist nicht nur an Göttern anwendbar. Du kannst dir selbst vertrauen. DAS ist wertvoll. Du kannst an die Liebe glauben und an dich. Das wird dir sehr helfen. Und wenn dein wahres Ich und die Liebe eben das Gesicht eines höher gestellten Wesens trägt, ist das zwar ein Umweg, aber ein Anfang. Such dir einfach das aus, mit dem du dich am wohlsten fühlst und was dir dazu verhilft, ein besserer Mensch zu sein.

Aber was mache ich mit diesem Gefühl? Mit diesem schwarzen Loch in mir? Wie kriege ich es gefüllt, wenn nicht mit Energien von außen, Büchern, spirituellen Konzepten?

Na, ist doch ganz einfach. Anstatt im Außen zu suchen, gehst du nach Innen. Anstatt die Weisheit anderer aufzusaugen, entdeckst du deine Eigene. Wenn du dieses Gefühl bekommst, meditiere. Sprich mit mir. Setz dich vor den PC und warte, was aus die heraus sprudelt. Jeder Mensch hat eine Quelle. Aber jedes Mal wenn man diese Quelle nicht benutzt, versiegt sie etwas mehr. Bis der Mensch irgendwann das Gefühl hat, abgeschnitten zu sein. Das muss nicht sein. Nutze deine Quelle. Sei kreativ. Lass es aus dir heraus. Dann kannst du auch wieder an dich glauben.

Hmmmm... das klingt ja gar nicht so schwierig.

Also steige ich aus der Wanne, setze mich an den PC und schreibe das hier. Es geht mir schon etwas besser. Und ich habe auch kein Buch bestellt (Natürlich nicht, ich halte mich ja an meine guten Vorsätze...meistens). Zu lernen, mir selbst mehr zu vertrauen, als anderen, wird noch ein langer Weg. Und vielleicht minimalisiere ich noch das ein oder andere religiöse Konzept weg. Aber an die Liebe zu glauben, unabhängig von allen Dogmen, für sich stehend und den Einzelnen berührend, das fühlt sich irgendwie schön an. Ich glaube, das werde ich mal versuchen.

(lächelt, nickt zufrieden.)

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