top of page
Suche
  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Den Raum für jemanden halten

Spaziergang durch einen Park im sommerlichen Spätnachmittag. Ein See glitzert, die Luft ist warm und weich, Enten quaken im Hintergrund, Fahrradfahrer sausen vorbei. Mein Gegenüber redet. Ich höre zu. Ich höre die ganze Zeit zu. Und ich habe wirklich nicht den Eindruck, dass etwas anderes als zuhören Sinn macht.

Kennst du sie auch, diese Menschen, die nicht reagieren, wenn du etwas erzählst? Die Situationen, in denen du dich fragst, ob gerade angekommen ist, was du gesagt hast? Die Momente, in denen Fragen gestellt, sich aber nicht wirklich für die Antwort interessiert wird?

Mein Gegenüber ist eine solche Person. Freundlich, liebenswert, witzig, offen. Aber immer nur darauf bedacht, selbst zu erzählen, zu berichten, los zu werden, auf den neuesten Stand zu bringen. Wie meine Meinung zum Gesagten ist, was bei mir aktuell los ist, was mich eigentlich bewegt, geht völlig unter.

Ich war lange verletzt deswegen. Ich habe mich jahrelang nicht bedeutend genug gefühlt, gedacht, was ich zu sagen habe, interessiert mein Gegenüber einfach nicht. War der Meinung, es sei egoistisch, nur von sich zu erzählen, mir nicht zuzuhören, nicht nach zu fragen oder sich eben nicht für meine Antworten zu interessieren. Es nervte, es stresste mich, weil ich schon vor einem Treffen wusste, dass es schwer werden würde, was zu erzählen, auszureden, meine Sicht der Dinge dar zu stellen.

Versteht mich nicht falsch, mein Gegenüber ist kein schlechter Mensch und er bemerkt auch nicht, dass er so handelt. Er ahnt auch nicht, dass es verletzend sein könnte, wie er sich benimmt.

Aber es kann sehr anstrengend sein, mit jemandem Zeit zu verbringen, der nur um sich selbst kreist, ohne es zu merken. Selbst, wenn man denjenigen sehr liebt.

Es gibt auch Menschen, bei denen dieses Phänomen nur phasenweise auftritt. Wenn man besonders gestresst ist oder jemanden etwas extrem beschäftigt. Dann läuft man schon mal Gefahr, sich nur mit den eigenen Gedankenkonstrukten auseinander zu setzen und nicht mehr über den Tellerrand und in die genervten Gesichter von Freunden und Familie zu blicken.

Ich habe immer wieder über dieses Verhalten nach gedacht und mich gefragt, was ich tun kann, um selbst weniger genervt und verletzt zu sein, da ich eigentlich weiß, dass es nicht mit böser Absicht geschieht. Es ist ein Charakterzug, ein Spleen, oder eben eine Phase. Die ja auch mal gegönnt sei.

Aber was kann ich tun? Was kann ich an dieser Situation ändern? Und ja, Gespräche haben statt gefunden und nichts oder nur kurzzeitig etwas geändert.

Fakt ist: Es handelt sich nicht um einen böswilligen Akt. Fakt ist auch, es handelt sich um Menschen, die mir etwas bedeuten, die mir Nahe stehen, zu denen ich den Kontakt definitiv halten werde. Und Fakt ist, sie wollen reden, sich mitteilen, jemanden, der zuhört, sich interessiert. Diese Menschen haben das Bedürfnis, ihr Leben mit mir zu teilen, was etwas Tolles und Wertvolles ist.

Also gehe ich dazu über, den Raum zu halten. Einfach da zu sein. Ich versuche, den Drang, dem wir alle meist unterliegen, abzulegen, und direkt antworten zu wollen. Ich versuche, meine Meinung als nicht allzu wichtig einzustufen. Ähnlich, als würde ich einem Kind zuhören, dass über für es selbst sehr wichtige Erlebnisse auf dem Spielplatz berichtet. Da überlege ich auch nicht, welche „Also, bei mir war das damals so“-Anekdote ich raus kramen kann. Da bleibe ich meist bei „Ach!“ „Wirklich?“ „Das ist ja interessant!“ „Das war sicher aufregend!“ Ich höre das Kind, ich nehme Anteil, ich spiegle. Mehr wollen Kinder meist gar nicht.

Und ich stelle fest, das ist bei Erwachsenen auch nicht anders. Wir wollen gehört werden. Verstanden. Unterstützt. Und das sehe ich in meinem Gegenüber an diesem schönen Tag im Park auch.

Also bin ich nicht gekränkt. Ich beziehe das Verhalten nicht auf mich. Ich weiß, dass dieses Verhalten mehr etwas mit dem inneren Kind meines Gegenübers, mit dessen großem Geltungsbedürfnis zu tun hat, als mit mir. Also höre ich zu. Überlege mir keine Antworten. Nicke nur und sage „Ach. Das war sicher aufregend.“ Und spüre, wie etwas von mir abfällt. Wie ich mich entspanne. Wie ich nichts weiter will, als den Raum zu halten, für meinen geliebten Menschen und mich. Ohne mich aufspielen zu wollen oder beleidigte Gefühle zu produzieren. Ich gehe nur mit einem Freund spazieren und höre zu. Ganz ohne Agenda. Nur den Wolken lauschen und dem Glucksen des Sees zu schauen. Und ab und zu sowas sagen wie „Wirklich? Was hast du dann getan?“

Und da ich ja sowieso vor hatte, weniger zu reden, ist das doch auch noch der perfekte Trainingsrahmen.


Quintessenz: Raum halten als Akt der Freundschaft kann eine Beziehung vertiefen und dir definitiv den Stress minimieren!

23 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Zeit

bottom of page