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  • AutorenbildFrollein Schreibfeder

Aller Anfang mit Weißwein

Aktualisiert: 17. März 2018

Es ist doch so: Jeder versucht das Beste aus seinem Leben zu machen. Ob man den Kilimandscharo besteigt, Mutti beim Abwasch hilft oder zum 100.x Harry Potter, alle Teile, in englischer extended Version schaut und dabei halbtrockenen Weißwein trinkt, jeder versucht, es sich so angenehm wie möglich zu gestalten und dabei das Gefühl zu haben, es richtig zu machen. Man möchte nichts verpassen, mittendrin sein, trotzdem Wellness-Urlaub mit den Mädels genießen und am besten auf der Arbeit und in der Familie unentbehrlich sein. Und wenn der neue Job erst mal richtig angelaufen ist/ die neue Hose perfekt sitzt, weil die letzten 3 Kilo runter sind/die blöde Nachbarin endlich nach Australien gezogen ist, na, dann geht es erst richtig los! Durchstarten, erfolgreich sein, das Buch zu Ende lesen, den Töpferkurs machen, nach einem Wohnwagen suchen. Kein Problem. Aber vorher muss klein Lilly noch in die Kita und Milch ist auch alle...

Leben ist das, was passiert, während man andere Pläne macht. Blöder Spruch. Neulich habe ich gelesen, dass der Durchschnittsmensch nach der Rente noch 3 Jahre zu leben hat. Schon scheiße, wenn man dann sein Leben damit verbringt, auf diese Freiheit hin zu arbeiten. Und dann hat man Rücken und Tante Erna ist krank und wieder ist die Milch alle. Der Punkt ist doch, es ist immer irgendwas. Und das wird sich niemals ändern. Niefuckingmals.

Gerburg Jahnke sagte mal „Und wenn du Mittwoch überlebst, ist Donnerstag.“ Ist das nicht so? Es ist völlig sinnlos, sich auf den nächsten Skandinavienurlaub zu freuen und auf das Segelboot zu sparen, wenn wir nicht lernen, im Hier und Jetzt anzukommen. Sonst denken wir nämlich, kaum dass wir in Schweden angekommen sind, über eine Reise durch Portugal nach und googeln von unserem neuen Boot aus nach Kleinflugzeugen. (Gott, wer hat schon soooo viel Geld...?) Wieder dumme Phrasen, nicht wahr? Nein. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben angelangt, an dem ich mir nur allzu bewusst darüber bin, dass ich sterben werde. Nein, ich bin jung, gesund, geliebt und so weiter. Trotzdem. Irgendwann werden wir alle sterben. Und all die schönen Gedanken, die mich als junges Mädchen und junge Frau getröstet haben, all die schönen spirituellen Bildchen von pastellfarbenen Sonnenuntergängen vor der Regenbogenbrücke, von Göttern, die über einen wachen und all diese tröstenden Gedanken, tun genau das nicht mehr: Mich trösten.

Denn: Ich weiß es einfach nicht. Vielleicht – und das ist wahrscheinlicher – werde ich es niemals wissen. Wie alle anderen Menschen eben auch nicht. Man kann sich Geschichten ausdenken, Bücher lesen, Kurse besuchen. Aber wirklich wissen tut man rein gar nichts. Also ist für mich die logische Konsequenz, mit dem zu arbeiten, was ich habe.

Mit meinem Leben. Meiner Familie. Meinen Freunden. Mit der Zeit, die ich habe.

Denn Zeit ist die Wertvollste Währung. Und damit möchte ich nur diejenigen bereichern, die dieses wertvolle Gut meiner Meinung nach auch verdient haben. Die Frage ist im Wesentlichen „Was ist mir wirklich wichtig? Was macht mich glücklich? Was kann ich tun, um zufrieden zu sein und andere zu unterstützen, ebenfalls zufrieden zu sein? Was brauche ich wirklich?“ Jeder wird diese Fragen wahrscheinlich anders beantworten. Und doch bin ich davon überzeugt, dass die Quintessenz dieselbe wäre. Familie, Freunde, eine gute Zeit mit lieben Menschen und tollem Wein am Lagerfeuer. Ein Zuhause. Gesundheit. Lachen. Sternenklare Nächte beschickert mit den Liebsten auf dem Rücken liegend genießen. Musik. Leckeres Essen. Urlaub an schönen Orten der Welt. Eine gewisse Freiheit. Ein guter Lebensstandart.

Klingt ganz gut. Und kann ja nicht so schwer sein. Nur dass ich immer wieder beobachte, wie ich selbst und auch andere sich von Kleinigkeiten ablenken lassen, auf etwas hin arbeiten, morgen anfangen. Immer wieder fällt mir auf, dass ich an irgendeinem Projekt arbeite, mir Gedanken über ein neues Hobby mache oder nach einer frischen Beschäftigung suche. Es fällt mir sehr schwer, runter zu kommen und gar nichts zu tun. Ich denke, gerade hier im Westen Europas und der Welt ist diese Mentalität nicht unbekannt. An etwas arbeiten, sich Gedanken zu etwas machen, Listen anfertigen, Ergebnisse vorweisen. Ich arbeite in einem Kindergarten und heute kam meine Chefin zu mir und bat um ein Gespräch. Ich brauche nicht so motiviert sein, sagte sie. Motivation sei eine tolle Sache, aber sie brauche mich am Kind, sagte sie. Sie fände es schön und wichtig, dass ich so viel Zeit mit den Kleinen verbringe und all die Listen und Erledigungen, nach denen ich ständig fische, setzten sie nur unter Druck, sagte sie. Ich erklärte ihr, dass ich das Gefühl hätte, unnütz zu sein und sie nicht zu unterstützen, wenn ich nur Uno spiele und in der Bauecke mit den Vierjährigen aus Holzklötzen Garagen baue (was ich alles übrigens sehr gern mache). Aber ich möchte ein Ergebnis habe, eine Aufgabe, etwas, was ich abarbeiten und dann haken kann. Und während des Gesprächs, nachdem ich kurz darüber nach gedacht hatte, in Tränen auszubrechen, wurde mir plötzlich klar, dass sich diese Thematik durch mein ganzes Leben zieht. Kleiderschränke minimalisieren, Kosmetika selber machen, nach Barfußschuhen sehen – alles gut und schön. Aber wollte ich nicht im Hier und Jetzt ankommen? Ist das nicht der rote Faden, der mir immer wieder Fallstricke kredenzt und die Steine in meinem Weg in Reih` und Glied hält? Der rote Faden, der sich tagtäglich um meine neuen Barfußschuhe wickelt und mich zu Boden ringt? Hallo? Ich werde gebeten, für mein Geld tiefenentspannt zum 1000x Das verrückte Labyrinth zu spielen und mir ist nach weinen zumute? Da stimmt doch was nicht!!!

Also alles auf Anfang. Denn irgendwo muss ich ja wohl mal anfangen.


Atmen. Ein und Aus. Im Hier und Jetzt. Lauschen. Auf die Geräusche um mich herum. Spielen, mit den Kindern, die mir anvertraut sind. Ist das nicht pädagogischer Anspruch genug? Die Kinder sein zu lassen und mit ihnen zu sein? So, wie wir sind? Haben nicht schon die Kindergartenkinder zu viele Termine und Verpflichtungen?

Ich möchte mehr nach innen lauschen. Mehr ankommen. Mehr Mandalas malen und weniger über Unfug nachdenken. Mich weniger angegriffen und mehr geliebt fühlen. Langsamer gehen, stiller sein, die Katze öfter streicheln. Also, alles auf Anfang. Genau Hier, genau Jetzt. Einfach mal aushalten. Klappe halten. Nach oben schauen. Der Himmel ist blau.


Machst du mit?

Aber jetzt mache ich erst Mal wohl verdienten Feierabend, streichle die Katze und schaue zum 100x Harry Potter, natürlich die englische extended Version, und trinke dabei halbtrockenen Weißwein. Auf die simplen Dinge im Leben! Denn die sind wirklich wichtig!

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